Kupplungslamellen aus martensitisch vergütetem Bandstahl für zuverlässige Kraftübertragung in Windenergieanlagen
Die Kraft des Windes wurde bereits vor über zweitausend Jahren durch einfache Windanlagen aus Holz und Stoff für das Getreidemahlen oder die Bewässerung von Feldern nutzbar gemacht. Heute spielt der Wind bei der nachhaltigen Energiegewinnung aus regenerativen Quellen eine wesentliche Rolle. Die Technologie zur Energieerzeugung aus Windkraft hat sich dabei insbesondere seit der Jahrtausendwende deutlich weiterentwickelt. Moderne Windturbinen sind komplexe, computergesteuerte Großanlagen zur Stromerzeugung und drehen sich in vielen Ländern der Erde. China, die USA und Deutschland führen bei der Zahl der installierten Anlagen, gefolgt von Indien und Spanien.
Die weltweit installierte Windenergieleistung stieg in den vergangenen zwanzig Jahren von 24 auf 837 Gigawatt (2021). Windräder decken damit bisher zwar nur ca. 7 % des globalen Strombedarfs, jedoch prognostizieren Studien eine mögliche Steigerung auf bis zu 20 % bis zum Jahre 2030. Bis 2050 könnte die Leistung sogar auf über 3.000 Gigawatt anwachsen und dann ein Drittel des globalen Energiebedarfs decken. Neben Fotovoltaik spielt die Windkraft damit eine wesentliche Rolle bei der CO2-Vermeidung in der Energieerzeugung und ist wichtiger Bestandteil und Wachstumsmarkt einer klimaneutralen Zukunft.
Hightech-Werkstoffe für eine Steigerung der Leistungsfähigkeit moderner Windkraftanlagen
Um den Anteil der Windenergie im klimaneutralen Energiemix weiter zu erhöhen, müssen moderne Windkraftanlagen bereits heute extrem leistungsfähig, effizient und zuverlässig einsatzbereit sein. Die angestrebte Steigerung der Energieleistung einer Anlage von etwa sechs auf bis zu zehn Megawatt erfordert dabei unter anderem auch ein weiteres Größenwachstum der Rotorblätter. Bereits die Antriebsstränge aktueller Anlagen mit Rotorblättern von ca. 60 Metern Länge müssen Drehmomente von bis zu 500.000 Newtonmeter (Nm) übertragen – eine Leistung, die der von über 1.500 modernen Mittelklassefahrzeugen entspricht. Ein weiteres Wachstum der Windkraftanlagen wird auch steigende Anforderungen an die Komponenten zur Kraftübertragung und Energieerzeugung und somit auch an die eingesetzten Stahlwerkstoffe zur Folge haben. Genau hierfür entwickelt und fertigt Waelzholz schon heute maßgeschneiderte Hightech-Werkstoffe: So kommt in den leistungsfähigen Generatoren der Windturbinen nicht nur hocheffizientes Elektroband zum Einsatz. Für die in der Kupplung des Triebstrangs verbauten Kupplungslamellen liefern wir außerdem martensitisch vergüteten Bandstahl mit besonderen technologischen Eigenschaften.
Lamellenkupplungen für sichere Kraftübertragung und zuverlässigen Generatorschutz
„Besondere Beanspruchungen des Antriebssystems einer Windturbine entstehen durch wechselnde Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen etwa durch Windböen, die die Rotorblätter unterschiedlich beaufschlagen können. Diese Kräfte führen dazu, dass der Triebstrang Relativbewegungen – also einem dynamischen Versatz – von bis zu drei Grad ausgesetzt werden kann. Aus diesem Grund sind Getriebe und Generator auf elastischen Dämpfern montiert“, erklärt Dennis Domaschk aus dem Waelzholz-Vertrieb. Würde dieser Wellenversatz trotz der Dämpfer in den Generator eingeleitet, könnte dieser beschädigt werden. Mit Blick auf den hohen Aufwand, der durch Wartung oder Instandsetzung von On- und Offshore-Windkraftanlagen entsteht, wurden daher leistungsfähige Stahllamellenkupplungen entwickelt, die diese Bewegung zuverlässig aufnehmen und so den Generator schützen.
Klaus Neumeyer aus der Werkstofftechnik sagt dazu: „Die Kupplung in Windkraftanlagen verfügt auf jeder Seite über vier zu einer Raute zusammengefassten Lamellenpakete. Durch mehrere, teilweise unterschiedlich dicke Schichten des Lamellenpakets entsteht eine zusätzliche Axial-Steifigkeit. Die Raute aus Stahllamellen ist in ihren Eckpunkten wechselnd mit der Getriebe- beziehungsweise Generatorwelle sowie mit der Kupplungswelle verbunden.“ So entsteht auf jeder Seite der Kupplung eine sogenannte doppelkardanische Aufhängung, die im laufenden Betrieb den Wellenversatz zwischen Getriebe und Generator ausgleicht. Der hierfür eingesetzte Stahlwerkstoff muss dabei höchste Anforderungen an Festigkeit und Steifigkeit erfüllen.
Aufbau einer Windturbine
01 Rotorlager und Welle
02 Getriebe
03 Bremse
04 Kupplung
05 Kühlung
06 Schaltschrank
07 Generator
08 Azimut-Antrieb
Kupplungssystem einer Windturbine mit Lamellen aus martensitisch vergütetem Bandstahl
01 Spannsatz Getriebewelle
02 Bremsscheibe
03 Kupplungslamellen aus Martensit
04 Zwischenstück Kupplung
05 Kupplungslamellen aus Martensit
06 Flansch Generator
07 Spannsatz Generatorwelle
Prozess-Know-how entscheidet: Höchste Festigkeit und Duktilität bei optimaler Planlage des martensitisch vergüteten Bandstahls
Um die enormen Kräfte, die auf die Kupplung einer Windkraftanlage einwirken, aufnehmen zu können, wird der Bandstahl für die Lamellen in sehr hohen Dicken bis zu 4,50 Millimetern und mit einer Zugfestigkeit von ca. 1.400 MPa ausgeführt. Gleichzeitig muss der Werkstoff über eine gute Zähigkeit verfügen. Die Kombination dieser Materialeigenschaften wird über die martensitische Vergütung erreicht. Werkstofftechniker Neumeyer erläutert: „Neben der hohen Festigkeit spielt bei dem Einsatz in Windturbinen auch die Duktilität unseres Materials ihre Vorteile aus. Auch bei extremen kurzzeitigen Spitzenbelastungen halten die Lamellen den hohen Belastungen stand und nutzen ihr Zähigkeitspotenzial voll aus.“
Neben diesen Eigenschaften ist für die Fertigung sowie den späteren Einsatz der Lamellenpakete auch die Planlage des Werkstoffs von großer Bedeutung. „Dank der gleichmäßigen Oberfläche unserer vergüteten Bänder können die Lamellen passgenau übereinander platziert werden. Die präzise Position der Lamellen sorgt für eine gleichmäßige Kraftübertragung sowie einen vibrationsarmen Rundlauf. Dies ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für eine lange Lebensdauer der Anlage“, erklärt Klaus Neumeyer weiter.
„Um die geforderte Planheit des eingesetzten untereuktoiden – also niedriggekohlten – Stahls mit Chrom- und Vanadium-Legierung auch bei großen Querschnitten mit einer Dicke von über 4 mm realisieren zu können, erfordert es ein ganz besonderes Prozess-Know-how“, ergänzt Dr.-Ing. Victor Blinov, Leiter der Qualitätssicherung Vergüterei. Mit herkömmlichen Fertigungsmöglichkeiten ist die Herstellung von vergüteten Bandstählen mit einem so großen Querschnitt schwierig umsetzbar. Waelzholz kann hier auf seine außergewöhnliche Prozesskompetenz zurückgreifen. Dr. Blinov: „Die Besonderheit liegt in der exakten Temperatursteuerung in der Abschreckphase des Vergüteprozesses an unserem Durchlaufvergüteofen, der der weltweit leistungsstärkste seiner Art ist. In Kombination mit unserer präzisen Walztechnik können wir diese Abmessung ohne innere Spannungen plan walzen und vergüten.“
Die exakte Einstellung und Vereinigung all dieser komplexen Eigenschaften – Festigkeit, Duktilität und Planlage – macht den martensitisch vergüteten Bandstahl von Waelzholz zum optimalen Werkstoff für Kupplungslamellen in Windkraftanlagen.
Nachhaltige Lösung: Wirtschaftliche Vorteile im Fertigungsprozess und höchste Effizienz bei der regenerativen Energiegewinnung
Werkstoffe von Waelzholz werden stets im Hinblick auf optimale Verarbeitungseigenschaften konzipiert und bieten damit für die Fertigungsprozesse der Kunden wirtschaftliche Vorteile. „Mit dem von uns gelieferten martensitisch vergüteten Bandstahl kann beispielsweise die kosten- und zeitintensive Stückvergütung bei unseren Kunden entfallen. Auch ein möglicher Härteverzug der einzelnen Teile durch die Stückvergütung kann im Hinblick auf die hohen Anforderungen an die Planheit mit unserem Werkstoff vermieden werden“, so Vertriebsmitarbeiter Dennis Domaschk.
„Anspruchsvolle Aufgaben unserer Kunden zu lösen, ist unsere Kernkompetenz“, berichtet Neumeyer. „So haben wir auch diesen Hochleistungswerkstoff optimal auf die individuellen Anforderungen der Windkraftindustrie ausgerichtet.“
Mit nachhaltigen Werkstoffkonzepten wie diesem kommen wir zudem unserem selbst gesteckten Ziel ein Stück näher: unsere Werkstoff-Expertise und unser Prozess-Know-how gezielt einzusetzen, um mit innovativen Werkstofflösungen für Zukunftsanwendungen die Energiewende zu begleiten.